Karl Schneider

Kurzbiographie 

Karl Rudolf Schneider wurde 1892 als Sohn eines Tischlers in Mainz geboren. Nach Schulabschluss und Lehre bei einem lokalen Architekten besuchte er von 1909 bis 1911 die reformorientierte Kunstgewerbeschule Mainz. Es folgten erste Berufserfahrungen in den wegweisenden Büros von Lossow & Kühne in Dresden, von Walter Gropius und Adolf Meyer in Berlin sowie von Peter Behrens in Neubabelsberg; hiervon zeugen unter anderem Zeichnungen Schneiders für die berühmten Fagus-Werke in Alfeld. Nach Kriegsdienst und -gefangenschaft von 1916 bis 1919 arbeitete der junge Architekt bei Heinrich Straumer in Berlin und kurzzeitig bei Fritz Höger in Hamburg.

 

1921 nahm Schneider die selbständige Tätigkeit in Hamburg auf. Der anfänglichen Kooperation mit Karl Witte und Jakob Detlef Peters entsprangen zwei Umbauten, ein Schuppenbau, eine Siedlung in Neumünster sowie ein Wohnhaus in Volksdorf; ab 1923 projektierte und realisierte Schneider seine Entwürfe eigenständig. Mit dem ausgeführten Haus Michaelsen in Blankenese schuf Schneider in den Jahren 1923/24 schon früh einen Pionierbau des Neuen Bauens.

 

Mit dem ersten Rang beim Wettbewerb für Kleinwohnungsbau an der Jarrestraße gelang Schneider 1926 der berufliche Durchbruch. Er galt fortan als progressives Talent unter den Hamburger Architekten und wurde im selben Jahr Mitglied der renommierten Architektenvereinigung Der Ring. Schneider nahm in der Folge an zahlreichen Wettbewerben teil, setzte mit innovativen Entwürfen für diverse Bauaufgaben neue Maßstäbe und realisierte insbesondere viele Einzelwohnhäuser sowie Geschosswohnbauten. Seine Bauten und Projekte wurden weit über Hamburgs Grenzen hinweg beachtet und in zahlreichen Publikationen sowie Ausstellungen gezeigt, so zum Beispiel in der 1932 eröffneten Präsentation "Modern Architecture. International Exhibition"  im New Yorker Museum of Modern Art.

 

Seit seiner Ankunft in Hamburg pflegte Schneider enge Kontakte zur Hamburger Kunstszene und gehörte der Hamburgischen Sezession, dem Altonaer Künstlerverein und dem Hamburger Künstlerrat an. Er zeichnete für die 1929 in Altona gezeigte Kunstausstellung und die Gestaltung der 1928 bis 1933 stattfindenden "Zinnober"-Künstlerfeste der Hamburgischen Sezession verantwortlich. 1930 wurde Schneider Leiter der Architektur-Entwurfsklasse an der Hamburger Landeskunstschule. Zur Eröffnung des von ihm geplanten Ausstellungsgebäudes für den Kunstverein wurde 1931 das Werk des Architekten in einer Sonderausstellung der Hamburgischen Sezession präsentiert.

 

Die Wirtschaftskrise bewirkte eine massive Verschlechterung von Schneiders Auftragslage. Mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten verlor der als Kulturbolschewist verfemte Architekt seine Professur und konnte fortan nur noch wenige Bauten realisieren. 1935 wurde seine Ehe mit Emma Schneider, geb. Leon, geschieden und das 1928 erbaute Wohnhaus in Bahrenfeld verkauft. Mit Abstellhallen für die Firma Opel Dello realisierte Schneider 1936/37 seine letzten Bauten in Hamburg. Diverse Wettbewerbsteilnahmen blieben erfolglos; in finanzieller Not arbeitete er für andere Architekten.

 

Die Beziehung zur jüdischen Fotografin Ursula Wolff und die kaum mehr mögliche Berufsausübung bewogen Schneider 1938 zur Emigration in die USA. In Chicago konnte er jedoch aufgrund der herrschenden Wirtschaftskrise und der ihm fehlenden Architektenlizenz nicht in seinem Beruf arbeiten. Er fand eine Anstellung beim Versandhaus Sears, Roebuck and Co., für das er als Industriedesigner vielzählige Gebrauchsgegenstände entwarf. In seiner Freizeit fertigte Schneider weiterhin Architekturstudien an und realisierte 1940 unter fremdem Namen ein Wohnhaus in Mount Prospect. 1942/43 wechselte er in die Kaufhausplanungsabteilung von Sears, Roebuck and Co. und entwarf fortan Warenhäuser. Für den Kunsthistoriker Edgar Wind erstellte er zudem Rekonstruktionsskizzen verlorener Entwürfe Michelangelo Buonarrottis.

 

Nach der Zulassung als Architekt im Staat Illinois zu Beginn des Jahres 1945 arbeitete Schneider schon bald für das Chicagoer Architekturbüro Loebl & Schlossman. Wenige Monate später erkrankte der Architekt jedoch schwer und verstarb im Dezember 1945.

 

Karl Schneiders Werk zeichnet sich durch seine stilistische Eigenständigkeit und Prägnanz aus. Als Mitglied der Avantgarde stand der Architekt für innovative, bahnbrechende Neuerungen, ohne dabei den Bezug zu gewissen Traditionen zu verlieren. Seine Architektur war nicht nur auf die formale Wirkung ausgerichtet, sondern stets dem Gebrauch und dem Menschen zugewandt.

 

Monika Isler Binz

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